KAPITEL 1

 In Phian schrie alles, als Aceks Stimme und Versuche, sie zum Aufgeben zu bewegen, immer zäher und schwerfälliger wurden. Unwirklich nahm sie dabei ihre eigenen Handlungen wahr, während Aceks Lippen begannen, sich stetig langsamer zu Wörtern zu formen, und Sätze bildeten, von denen sie schon bald nicht mehr als ein tiefes Summen verstand. Aber seine Hand, die mühsam nach der Waffe an seinem Schultergurt griff, verriet Phian, dass er sie warnte. Dennoch war es für ihn zu spät.

Es war für sie alle zu spät.

Acek hatte weder seinen Satz beendet, noch seinen nächsten Schritt zu Ende führen können, da stand sie bereits vor ihm, umklammerte seinen Arm, drehte sich einmal um ihre eigene Achse und riss ihn über ihre Schulter nach vorne weg. Mit der ganzen Wucht, die ihre Schnelligkeit in ihre Bewegung übertrug, schlug er auf den Boden und blieb bewusstlos liegen. Ohne erkennbare Reue stürzte Phian sich auf den zweiten Rebellen, dem sie einen solch heftigen Hieb in den Magen versetzte, dass er gegen die Männer und Frauen hinter sich flog und diese gleich mit sich zog. Doch der Kampf hatte gerade erst begonnen. Und so nahm sie mit ihrem nächsten Atemzug einen Windhauch wahr, der wie eine gespenstische Hand über ihren Nacken strich.

Blindlings wirbelte sie herum, wo Rohlan ihr so nah gekommen war, dass sie Furcht in seinen Augen aufblitzen sah, als er sich mit einem Kampfgebrüll auf sie stürzte.

Es war nur ein kurzer Moment, in dem sie ihr Herz plötzlich in ihrer Brust schlagen spürte. Nur ein Aufschlag. Nicht mehr. Doch dieser reichte. Die Bewegungen der sie umzingelnden Herodier und Rebellen nahmen wieder so deutlich an Geschwindigkeit zu, dass Rohlans Hand immer schneller auf sie zuschoss.

Phian schlug heftig die Zähne aufeinander. Denn die Antwort darauf ließ nicht auf sich warten. Abrupt zog sich ein Pulsieren durch ihren linken Unterarm und ihr Puls wurde wieder zäher und zäher, bis die Welt stillstand. Ebenso Rohlan, der in seiner Bewegung erstarrt war wie eine Standaufnahme eines Läufers. Mit Leichtigkeit wich Phian ihm aus und begann ihn wie ein Raubtier zu umkreisen, schnappte nach dem Dolch, der in einer metallenen Scheide seines Gurts steckte, und holte aus.

Rohlan, immer noch in der Position, sie zu ergreifen, und somit unfähig, sie aufzuhalten, konnte nur zusehen, wie Phian die spitze Klinge darauf in die weiche Seite knapp unterhalb seiner Lunge stieß.

In einer endlos langen Sekunde beobachtete Phian, wie sich in seinem Gesicht Schmerzen zeigten, die sie verursacht hatte. Unwirsch blinzelte sie die Tränen fort, die ihren Blick verschleierten, während sie herumwirbelte und dem Herodier hinter ihr den Dolch in den Unterbauch rammte. Sein warmes Blut sickerte über ihre Finger, die sich um den Griff ihrer Waffe verkrampft hatten. Das Dröhnen ihrer stummen Schreie in ihrem Kopf barst vor Schmerz, der sie innerlich zerriss. Dennoch schaffte sie es nicht, sich selbst aufzuhalten. Stattdessen zog sie die Klinge zurück und wirbelte abermals herum, bereit dem Nächsten den Dolch zwischen die Rippen zu treiben. Da biss sie etwas in ihren Rücken.

Sie schrie auf und blickte über ihre Schulter.

Kniend befand sich Feliza neben dem langsam zu Bewusstsein kehrenden Acek und belud hektisch ein eigentümliches Gewehr, während um sie herum ein wilder Kampf zwischen den Uniformierten der panteonischen Wacht und den Rebellen stattfand, die sich auf die Hilfe der Herodier verlassen konnten. Mit einem Mal grub sich ein tiefes Loch in Phians Magen, als sie unter all den Kriegern des fremden Volkes Zaro erkannte, der sich mit wendigen Schritten dem Angriff eines drahtigen Wachmanns entzog. Sie wollte zu ihm eilen und ihm helfen, doch ihr Körper gehorchte ihr nicht, egal wie sehr sie es versuchte, und da spürte sie einen erneuten Stich.

Phian keuchte auf, griff nach ihrem Hals, in dem ein Projektil steckte, und sah zurück zu Feliza, die den Lauf auf sie gerichtet hielt und abermals abdrückte. Sofort riss Phian herum, aber ihre Arme und Beine fühlten sich plötzlich wie zäher Gummi an, den sie aus einer Sandgrube zu ziehen versuchte. Ein brennendes Jucken breitete sich zeitgleich von ihrem Nacken und ihren Rücken aus, arbeitete sich durch ihre Adern, bis es ihr Herz erreichte und von dort in Windeseile durch ihren Körper schoss.

Phians stummer Schrei gellte auf, als sie im nächsten Augenblick auch schon das langsame Fallen ihres sich windenden Leibes bemerkte. Schließlich gab sie ihren inneren Kampf auf und lächelte vor Glück in sich hinein.

Ihre Freunde hatten es geschafft.

Sie hatten sie endlich aufgehalten.